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(keine) Ablehnung der Reststrafenaussetzung bei Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld

Sachverhalt:

Der nun 45-jährige Verurteilte war wegen eines 1987 begangenen Mordes zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach der Tat ist der Verurteilte nicht mehr in Erscheinung getreten und führte ein geregeltes Leben. Die Jugendstrafe wurde nicht wegen schädlicher Neigungen, sondern wegen der besonderen Schwere der Schuld als erforderlich angesehen. Der Verurteilte wurde in den Erwachsenenvollzug überführt. Die Strafvollstreckungskammer lehnte die Aussetzung der Vollstreckung der Restjugendstrafe zur Bewährung nach zwei Dritteln der verbüßten Strafe ab, da wegen der Schwere der Schuld die bisher verbüßte Strafe kein angemessener Schuldausgleich sei.

Entscheidungsgegenstand:

Das OLG hatte über die gegen diesen Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde des Verurteilten zu entscheiden.

Entscheidung und Begründung:

Das OLG entschied, dass die Strafrestaussetzung zum Zweidrittelzeitpunkt nicht allein wegen der Schwere der Schuld abgelehnt werden durfte. Die Feststellung und Gewichtung der Schuldschwere obliege primär dem Erkenntnisverfahren und dem Tatgericht, welches hier zwar wegen der Schwere der Schuld auf eine Jugendstrafe, allerdings auf eine deutlich unter dem Höchstmaß liegende Strafe, erkannt habe. Die Aspekte von Generalprävention, Schuldausgleich, Vergeltung und Sühne hätten ihren Standort bei der Sanktionsandrohung sowie der Sanktionsverhängung und seien damit für die Ebene des Sanktionsvollzugs "verbraucht". Die Einbeziehung des Gesichtspunktes der Schwere der Schuld in die Entscheidung nach § 88 Abs. 1 JGG würde zu einer nicht gerechtfertigten Schlechterstellung des nach Jugendstrafrecht Verurteilten gegenüber einem nach allgemeinem Strafrecht zu einer zeitigen Freiheitsstrafe verurteilten Straftäter führen, da im Rahmen der nach § 57 Abs. 1 StGB zu treffenden Abwägung der Gesichtspunkt der Schwere der Schuld keine eigenständige Rolle spiele. Ansonsten würde die durch die Anwendung des materiellen Jugendstrafrechts erstrebte Privilegierung in ihr Gegenteil verkehrt. Die Strafvollstreckungskammer habe also nicht allein aus diesem Grunde die Strafrestaussetzung ablehnen dürfen, sondern hätte ein Sachverständigengutachten über die Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit einholen müssen. Die Sache wurde an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.

Kommentierung der Entscheidung aus unserer Sicht:

Die Entscheidung macht deutlich, dass die Schwere der Schuld ausschließlich in der Strafmaßfestsetzung und nicht in der Strafrestaussetzung heranzuziehen ist. Die Vollstreckungskammer ist nicht dazu berechtigt, den Strafausspruch aufgrund eigener Strafmaßerwägungen zu korrigieren. Die Strafrestaussetzung hat allein den Täter in den Blick zu nehmen und zukunftsbezogen danach zu fragen, ob er eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen oder sich legal bewähren wird. Die Schwere der Schuld spielt hier – auch bei einem nach Jugendstrafrecht verurteilten Täter – richtigerweise keine Rolle mehr.

OLG Hamm, 05.02.2015 - III-2 Ws 33/15