Wann kann ein Gericht einen Beweisantrag bei Indiztatsachen wegen Bedeutungslosigkeit ablehnen?
Sachverhalt:
Dem Angeklagten wurde die Einfuhr von Betäubungsmitteln aus Österreich nach Deutschland vorgeworfen. Die Verteidigung beantragte, Telefonate, aufgezeichnete Innenraumgespräche aus dem vom Mitangeklagten genutzten PKW sowie GPS-Aufzeichnungen für diesen PKW in Augenschein zu nehmen, zum Beweis der Tatsache, dass der Mitangeklagte schon vor der Fahrt nach Österreich ein Treffen mit einem Betäubungsmittellieferanten in Rotterdam vereinbart hatte. Damit sollte eine gleichwertige Alternative zu der von der Anklage angenommenen Indizienkette dergestalt aufgezeigt werden, dass der Mitangeklagte das Heroin auch in Rotterdam – und damit ohne Beteiligung des Angeklagten – erworben und von dort nach Deutschland eingeführt haben könnte.
Das LG lehnte den Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit nach § 244 Abs. 3 S. 2 StPO mit der Begründung ab, dass die Tatsache, dass der Angeklagte auch eine andere Möglichkeit hatte, sich Heroin zu beschaffen, kein zwingender Schluss dafür ist, dass das Heroin nicht auch aus der Fahrt aus Österreich stammen kann.
Entscheidungsgegenstand:
Der BGH hatte im Rahmen des Revisionsverfahrens darüber zu entscheiden, ob die Ablehnung des Beweisantrages durch das LG rechtsfehlerhaft war und somit ein entscheidungserheblicher Verfahrensfehler vorliegt.
Entscheidung und Begründung:
Der BGH hat das Urteil des LG wegen rechtsfehlerhafter Ablehnung des Beweisantrages aufgehoben. Die Anforderungen an die Begründung der Ablehnung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Tatgericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung feststellt und sodann in den schriftlichen Urteilgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Überzeugungsbildung ohne Einfluss geblieben ist. Damit erweise es sich in aller Regel als rechtsfehlerhaft, wenn die Ablehnung wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit allein auf die inhaltsleere Aussage gestützt werde, die unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache lasse keinen zwingenden, sondern lediglich einen möglichen Schluss zu, den das Gericht nicht ziehen wolle. Hier lasse die Beschaffungsmöglichkeit durch den Mitangeklagten in den Niederlanden zwar keinen zwingenden Schluss darauf zu, dass die Betäubungsmittel nicht in Österreich zusammen mit dem Angeklagten erworben wurden, aber immerhin einen möglichen. Das Gericht habe nicht dargelegt, warum die aufgezeigte andere Beschaffungsmöglichkeit seine ebenfalls nur auf Indizien beruhende Schlussfolgerung, das Heroin stamme aus Österreich, nicht in entscheidungserheblicher Weise entkräften konnte, und damit den Beweisantrag rechtsfehlerhaft abgelehnt.
Kommentierung der Entscheidung aus unserer Sicht:
Die Entscheidung macht deutlich, dass ein Tatgericht einen unliebsamen Beweisantrag, der eine im Raum stehende Indizienkette durch einen nur möglichen Schluss erschüttert, gleichwohl nicht wegen Bedeutungslosigkeit ablehnen darf. Für die Verteidigung ist dies eine sehr wichtige Entscheidung, stärkt sie doch das wichtigste Recht des Angeklagten, nämlich das Recht Beweisanträge zu stellen.
Gericht: BGH
Datum: 01.10.2013
Aktenzeichen: 3 StR 135/13
Normen: § 244 Abs. 3 S. 2 StPO