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Kann der Haftgrund der Wiederholungsgefahr bei einem Jugendlichen darauf gestützt werden, dass er bereits vorher einschlägig straffällig geworden und zudem arbeitslos sei?

Sachverhalt:

Der Jugendliche war zweier Taten nach §§ 242, 243 StGB dringend verdächtig. Der Beschuldigte hat die letzte Tat nach § 243 StGB am 13. Juni 2007 begangen. Das Verfahren ist seinerzeit nach § 47 JGG eingestellt worden. Danach ist er noch fünfmal strafrechtlich in Erscheinung getreten. In einem Fall erfolgte wiederum eine Einstellung nach § 47 JGG, in zwei Fällen wurden erzieherische Maßnahmen nach Jugendrecht festgesetzt. In einem weiteren Fall (Verurteilung vom 31. März 2011) wurde der Beschuldigte wegen Hehlerei mit Strafvorbehalt verurteilt. Bei der letzten Verurteilung datiert vom 25. Juli 2011 wurde der Beschuldigte wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt.

Das Amtsgericht Wildeshausen hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft gegen den Beschuldigten gemäß § 112 a Abs. 1 Nr. 2 StPO Untersuchungshaft wegen Wiederholungsgefahr angeordnet. Der Beschuldigte ist am selben Tage festgenommen worden und befand sich seitdem in Untersuchungshaft.

Das Amtsgericht stützte den Haftgrund der Wiederholungsgefahr darauf, dass aufgrund der zeitlichen Reihenfolge dieser beiden Taten ein hinreichender Grund zu der Annahme bestehe, dass der derzeit arbeitslose Jugendliche derlei Straftaten zur Bestreitung des Lebensunterhalts auch weiterhin begehen werde.

Entscheidungsgegenstand:

Das Oberlandesgericht hatte als (weiteres) Beschwerdegericht darüber zu entscheiden, ob derlei Erwägungen dazu geeignet sind, eine Wiederholungsgefahr im Sinne von § 112 a Abs. 1 Nr. 2 StPO zu begründen.

Entscheidung und Begründung:

In seiner Entscheidung führt das Oberlandesgericht Oldenburg aus, eine Wiederholungsgefahr müsse durch bestimmte Tatsachen begründet werden. Diese müssten eine so starke innere Neigung des Beschuldigten zu einschlägigen Taten erkennen lassen, dass die Besorgnis begründet sei, er werde die Serie gleichartiger Taten noch vor einer Verurteilung wegen der Anlasstat fortsetzen.

Die wegen Wiederholungsgefahr angeordnete Untersuchungshaft stelle kein Mittel der Verfahrenssicherung, sondern - als Ausnahme im System der Strafprozessordnung - eine vorbeugende Maßnahme zum Schutz der Rechtsgemeinschaft dar. Die Vorschrift sei deshalb und weil sie in besonderem Maße Grundrechte tangiere eng auszulegen.

Da der Jugendliche zuvor nicht einmal zu einer Jugendstrafe verurteilt worden sei und darüber hinaus die Verurteilungen nach Erwachsenenstrafrecht keine Katalogtaten i. S. v. 112a Absatz 1 Nr. 1 oder 2 StPO seien, fehle es an einer Tatsachengrundlage für die Annahme einer Wiederholungsgefahr. Eine starke innere Neigung des Beschuldigten zu einschlägigen Straftaten, wie sie eine Wiederholungsgefahr im Sinne von § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO voraussetzt, könne dem vorliegenden Sachverhalt jedenfalls noch nicht entnommen werden.

Auch aus den konkreten Umständen der Anlasstat sei diese Gefahr nicht herzuleiten, weil beide Taten nicht unabhängig voneinander begangen worden seien, sondern auf einem einheitlichen Tatentschluss beruhten und die kurze Zeitspanne zwischen den beiden Taten gerade keine Wiederholungsgefahr begründe.

Kommentierung der Entscheidung aus unserer Sicht:

Es kommt bei Jugendlichen gar nicht so selten vor, dass auf den – ansonsten eher seltenen – Haftgrund der Wiederholungsgefahr zurückgegriffen wird. Dies liegt daran, dass bei einem Jugendlichen die bei Erwachsenen in aller Regel bemühte Fluchtgefahr häufig nur schwer begründet werden kann. Gerade deshalb ist es wichtig, dass in Entscheidungen wie der vorliegenden des Oberlandesgerichts Oldenburg der Annahme einer solchen Wiederholungsgefahr enge Grenzen gesetzt werden.

Name des Gerichts: OLG Oldenburg
Datum: 27.03.2012
Aktenzeichen: 4 Qs 67/12
Normen: §§ 242 StGB, 243 StGB, § 112 a StPO, 47 JGG