Betreiben einer Marihuana Plantage in einem versteckten Waldgebiet - Besitz an den Pflanzen im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes?
Sachverhalt:
Die Betroffenen entwickelten die Idee, eine Marihuana-Outdoor-Plantage zu errichten, um davon ihren Eigenbedarf zu decken. Sie brachten in einem abgelegenen, nicht unmittelbar einsehbaren Waldstück auf einer Fläche von ca. 10m x 10m Cannabissamen aus und zogen Cannabispflanzen auf. Sie gossen und düngten die Pflanzen, umzäunten die Fläche zum Schutz vor Verbiss mit einem Wildzaun aus Draht und häuften einen Wall aus Zweigen und Geäst an. Ferner schützten sie die Pflanzen durch Krempen und Gift vor Mäusen. Es gelang ihnen 67 Marihuanapflanzen aufzuziehen. Nach Ernte und Trocknung ergab sich ein THC-Gehalt von 28,49 g.
Der Angeklagte S. befand sich darüber hinaus im Besitz einer weiteren Menge von 175,20 g Marihuanablüten und 49,49 g Marihuanablättern mit einem THC-Gehalt von insgesamt 21,25 g. Die Blüten entstammten einer Ernte aus dem Schrebergarten des Angeklagten S. Beim Angeklagten P. wurde eine weitere Menge von 22,4 g Marihuana sichergestellt.
Das Amtsgericht Lüneburg verurteilte den Angeklagten P. unter anderem wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in zwei Fällen, davon in einem Fall in nicht geringer Menge. Den Angeklagten S. verurteilte das Amtsgericht unter anderem wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen.
Entscheidungsgegenstand:
Gegen das Urteil des Amtsgerichts legten beide Angeklagte Sprungrevision ein. Die Revision der Angeklagten stützte sich auf die Beanstandung der Anwendung sachlichen Rechts.
Entscheidung und Begründung:
Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle führt in seinem Beschluss aus, zutreffend habe das Amtsgericht das Geschehen um die Errichtung der Outdoor-Marihuana-Plantage und das Aufziehen der Cannabispflanzen als Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gem. § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gewertet. Jedoch stelle der gleichzeitige Besitz von Betäubungsmitteln an verschiedenen Orten lediglich nur einen Verstoß gegen das BtMG dar.
Der Senat führt in seinem Beschluss aus, wer auf einem fremden, frei zugänglichen Waldgrundstück an einer entlegenen Stelle Marihuana-Pflanzen anbaut und die Pflanzen durch einen Wilddraht sowie durch einen natürlichen Wall gegen Tiere sichert, habe auch den Besitz an den noch nicht abgeernteten Cannabispflanzen in der Outdoor-Plantage inne.
Besitzen im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes setze ein bewusstes tatsächliches Innehaben, ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis sowie Besitzwillen und Besitzbewusstsein voraus, die darauf gerichtet seien, sich die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf das Betäubungsmittel zu erhalten. Für die Einstufung als Besitz komme es weder auf die Eigentumsverhältnisse an noch darauf, ob der Täter die Betäubungsmittel unmittelbar in seiner Herrschaftsgewalt hat. Auch müsse das BtM nicht an einer Stelle verwahrt sein, zu der er sicheren Zugang hat, so dass er ohne Schwierigkeit darüber verfügen könne.
Deshalb sei es für die Beurteilung als Besitz unerheblich, ob die Angeklagten Dritte von der Herrschaft über die in freier Natur angebauten Betäubungsmittel ausgeschlossen hatten. Es reiche aus, dass die Angeklagten selbst jederzeit ungehinderten Zugang hatten. Dies sei hier schon deswegen der Fall gewesen, weil die Angeklagten überlegenes Wissen zur Belegenheit der versteckten Plantage hatten.
Eine Manifestation des Herrschaftswillens an der Waldfläche als „Inbesitznahme“ ergebe sich hier neben der Aussaat von Pflanzen zu eigenen Zwecken auch durch die faktische Einfriedung der Anbaufläche mit einem Zaun und einem natürlichen Wall. Dass diese Maßnahme nach den Feststellungen der Abwehr von Wild und nicht von Menschen diente, ändere nichts daran, dass die Angeklagten hierdurch die Grundfläche und die darauf befindlichen Pflanzen nach ihrem Willen schützen wollten. Darin komme eine für die Begründung eines tatsächlichen Herrschaftswillens ausreichende Ausübung der Sachgewalt zum Ausdruck.
Kommentierung der Entscheidung aus unserer Sicht:
Die Entscheidung knüpft an die bisherige Rechtsprechung zum Besitz an und dehnt diese tendenziell noch weiter aus. So wird die Herrschaftsmöglichkeit durchaus großzügig gesehen, so dass letztlich das bloße Wissen um den Ort einer „Outdoor-Plantage“ ausreichend für die Annahme strafrechtlich relevanten Besitzes sein kann. Besonders interessant ist die Bildung einer Tateinheit bei zeitlich übereinstimmendem „Herrschaft“ über mehrere Plantagen an unterschiedlichen Orten. Ob diese Konstruktion tatsächlich in allen denkbaren Fällen zu sachgerechten Bewertungen führt, bleibt abzuwarten. Die grundsätzlich in der obergerichtlichen Rechtsprechung großzügige Handhabung von Tateinheit – insbesondere aufgrund des Instruments der sog. Bewertungseinheit – bezieht sich bislang ausdrücklich nur auf den Tatvorwurf des Handeltreibens, so dass die Entscheidung des OLG Celle in diesem Zusammenhang als durchaus innovativ angesehen werden kann.
Name des Gerichts: OLG Celle
Datum: 21.01.2013
Aktenzeichen: Az: 32 Ss 160/12
Normen: § 29 BtMG, § 29 a BtMG