„Hast du vll lust mich über cam zu sehen? Willste uch mehr sehen als gesicht? zeigste was?“ – Kindesmissbrauch im Internetchat?
Sachverhalt:
Das Amtsgericht hat einen Durchsuchungsbeschluss gegen eine Familie erlassen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte IP-Adresse genutzt hat. Durch einen Nutzer dieser IP-Adresse sollen auf einer Chat-Plattform bestimmte Äußerungen gegenüber anderen Chatteilnehmern gefallen sein, deren Nutzerprofile die Chatteilnehmer als 12 bzw. 13 Jahre alt und weiblich ausgewiesen haben. So seien folgende Sätze in dem Chatprotokoll zu finden: „hast du vll lust mich über cam zu sehen? xP“; „willst euch mehr sehen als gesicht?“; „zeigste was“; „zeige was du möchtest: p“ Das Amtsgericht sah in den Äußerungen den Verdacht begründet, dass der Urheber dieser Äußerungen sich „Kindern in sexuell offensiver Weise genähert habe“. Nach dem Nutzungsprofil soll der Urheber der Äußerungen 15 Jahre alt und männlich sein.
Entscheidungsgegenstand:
Die Betroffenen haben gegen den Durchsuchungsbeschluss Beschwerde eingelegt und das Landgericht Düsseldorf hatte nun über die Rechtmäßigkeit des Durchsuchungsbeschlusses zu entscheiden.
Entscheidung und Begründung:
Das Landgericht hat festgestellt, dass die Beschwerde begründet und der Durchsuchungsbeschluss rechtswidrig ist. Dies begründet das Landgericht im Wesentlichen damit, dass eine Durchsuchungsanordnung voraussetze, dass ein Anfangsverdacht hinsichtlich der Begehung einer Straftat vorliege. Dies sei nicht der Fall. In der Entscheidung heißt es wörtlich:
„Es fehlt an einem Anfangsverdacht hinsichtlich einer Straftat gemäß § 176 Abs. 4 StGB. § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB setzt die Absicht voraus, das Kind zu sexuellen Handlungen an oder vor dem Täter oder einer dritten Person oder zur Duldung sexueller Handlungen zu bringen. Dass und ggf. welche sexuellen Absichten mit den vg. E-Mails verfolgt wurden, ist indes nicht erkennbar. Allein die Frage bzw. Aufforderung „zeigste was?“, „zeige was du möchtest“ muss sich – ohne weitere Anhaltspunkte - nicht zwingend auf eine sexuelle Handlung beziehen. Da die Emails demzufolge keinerlei eindeutigen pornografischen Inhalt aufwiesen, besteht auch kein Tatverdacht für eine Strafbarkeit gemäß § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB. Dass es bereits zu sexuellen Entblößungshandlungen, die eine körperliche Nähe nicht voraussetzen, gekommen ist bzw. zu solchen unmittelbar angesetzt wurde, ist ebenfalls nicht ersichtlich, so dass auch ein Anfangsverdacht hinsichtlich einer Straftat gemäß §§ 176 Abs. 4 Nr. 1 und Abs. 6, 22, 23 StGB ausscheidet.“
Kommentierung der Entscheidung aus unserer Sicht:
Die Entscheidung ist ein Beispiel für eine dogmatisch saubere Abgrenzung zwischen einer sogenannten Vorbereitungshandlung und dem unmittelbaren Tatansatz im Sinne eines strafbaren Tatversuchs. Es ist auch geboten diese Abgrenzung bereits bei der Frage des Anfangsverdachts so ernst zu nehmen, wie dies das LG Düsseldorf zutreffend anmahnt. Es kann nicht sein, dass ein grundrechtsrelevanter Eingriff, wie ihn jede Durchsuchungsmaßnahme darstellt, stattfindet, ohne dass die rechtsstaatlich zu fordernden Voraussetzungen vorliegen.
Die Ermittlungsbehörden wurden im vorliegenden Fall durch den Chatbetreiber informiert, da es mehrfache Meldungen über einen sog. „Notrufbutton“ diesen Nutzer betreffend gegeben hatte. Hier liegt es nahe, dass der Betreiber den Nutzer sperrt; auch wäre es möglich, durch entsprechende Maßnahmen die tatsächlichen Absichten und kriminelle Energie des Nutzers zu ermitteln.
Ist der Nutzer tatsächlich ein 15-jähriger Junge, der im Rahmen pubertärer Einflüsse exhibitionistische Annäherungen an 12 oder 13-jährige Mädchen unternimmt, so sollte dies zwar unterbunden werden, ist jedoch kein Fall für den Staatsanwalt bzw. die Durchführung einer Durchsuchungsmaßnahme. Ist es hingegen ein Erwachsener, der versteckt hinter einem falschen Nutzungsprofil zur Begehung von Missbrauchshandlungen ansetzt , so verhält sich dies natürlich anders. Auch dann ist es aber unumgänglich den Tatansatz als solchen abzuwarten und sei es durch verdeckte polizeiliche Tatprovokation.
LG Düsseldorf, 6.11.2012 - 7 Qs 31/12