DMS Strafrecht

Fehlender Vorsatz hinsichtlich transportierter BtM-Menge - Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß?

Sachverhalt

Nach einer nicht verfahrensgegenständlichen Betäubungsmitteltat bat „M. “ den Angeklagten im Juli 2018, Drogen mit einem Lieferwagen nach Kopenhagen zu transportieren. Der Angeklagte erklärte sich für einen Lohn von 2.000 bis 3.000 Euro dazu bereit. Am 16. Juli 2018 kam es in den Niederlanden zur Übergabe eines Iveco Kleintransporters, der Angeklagte erhielt 800 Euro für die Fahrt und die damit verbundenen Kosten sowie ein Mobiltelefon, um mit „M. “ Kontakt zu halten. Zudem waren im Wagen ein Navigationsgerät mit der eingespeicherten Adresse eines Kopenhagener Hotels und - vom Angeklagten unbemerkt - ein GPS-Sender eingebaut.

Der von der Fahrerkabine getrennte Frachtraum war leer, wie der Angeklagte bei einer Kontrolle sah. Er ging davon aus, dass im Fahrzeug Betäubungsmittel versteckt waren, wusste aber nicht wo. Weil „M. “ vor allem mit Haschisch handelte, ging der Angeklagte davon aus, dieses zu transportieren; billigend in Kauf nahm er eine Menge von ca. 15 kg, wobei er sich über die Qualität keine Gedanken machte. Tatsächlich befanden sich in einem zwischen Fahrerkabine und Frachtraum professionell verbauten Hohlraum 15 Pakete Haschisch mit einem Nettogewicht von über 350 kg (3.718 Platten) und Wirkstoffgehalten zwischen 28 und fast 34 Prozent (Gesamtwirkstoffmenge über 108 kg Tetrahydrocannabinol). Bei einer Kontrolle auf der Autobahn zwischen Bremen und Hamburg entdeckten Zollbeamte das Rauschgift.

Unter Verbrauch des vertypten Strafmilderungsgrundes der Aufklärungshilfe (§ 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG) hat das Landgericht einen minder schweren Fall der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angenommen und den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Bei der Strafrahmenwahl und der Strafzumessung im Einzelnen ist die Strafkammer von der Vorstellung des Angeklagten ausgegangen, höchstens 15 kg Haschisch einzuführen. Hinsichtlich der nicht vom Vorsatz umfassten größeren Menge treffe ihn aufgrund des nur schwer erkennbaren Hohlraums und der mangels Werkzeugs nicht gegebenen Möglichkeit der Kontrolle der mitgeführten Betäubungsmittelmenge auch nicht der Vorwurf der Fahrlässigkeit, so dass dies keine strafschärfende Berücksichtigung finden könne.

Entscheidungsgegenstand

Gegen dieses Urteil des LG Hamburg legte die Staatsanwaltschaft Revision ein und begründete diese unter anderem damit, dass der subjektive Tatbestand in rechtlich unzutreffender Weise auf eine Menge von 15 kg Haschisch beschränkt wurde. Der Bundesgerichtshof hatte nun über diese Revision der Staatsanwaltschaft zu entscheiden.

Entscheidung und Begründung

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des LG Hamburg aufgehoben und dies damit begründet, dass zwar die Beweiswürdigung zu der Frage, welche Betäubungsmittelmenge vom Vorsatz des Angeklagten erfasst war, eingedenk des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfungsmaßstabes nicht zu beanstanden sei. Denn das Landgericht habe die diesbezügliche Einlassung des Angeklagten nicht ungeprüft übernommen, sondern auf das professionelle und vom Angeklagten nicht erkennbare Versteck, die Möglichkeit weniger voluminöser Verstecke im Fahrzeug, das Fehlen von Finger- und Handflächenspuren des Angeklagten an den Drogenpaketen und die Einschätzung der als Zeugen vernommenen Zollbeamten abgestellt, sie hätten bei der Fahrzeugkontrolle allenfalls mit einer Betäubungsmittelmenge von 10 bis 15 kg gerechnet. Damit habe die Strafkammer alle nach den Feststellungen wesentlichen Umstände des Falls erwogen und Zweifel an der billigenden Inkaufnahme des Transports einer Mehrmenge nicht auszuräumen vermocht. Diese dem Tatgericht obliegende Würdigung, die weder Würdigungslücken noch sonstige Rechtsfehler enthält, sei vom Revisionsgericht hinzunehmen. Rechtsfehlerhaft habe aber die Strafkammer einen Fahrlässigkeitsvorwurf des Angeklagten bezüglich der vom Vorsatz nicht erfassten Mehrmenge verneint und sei deshalb für die Strafzumessung von einem zu geringen Schuldumfang ausgegangen. Der Angeklagte habe ein sehr großes Fahrzeug (Transporter) über die Grenze gefahren, in dem eine ihm völlig unbekannte Menge Rauschgift so verbaut war, dass man sie nicht sehen konnte. Die bewusste Übernahme des Rauschgifttransports war objektiv und subjektiv pflichtwidrig. Weil ihm gegenüber keinerlei Angaben zu den transportierten Rauschgiftmengen gemacht worden waren, er das Drogenversteck nicht kannte und ihm zudem ein großes Lieferfahrzeug übergeben wurde, bei dem - anders als bei einem Kleinwagen - auch ganz erhebliche Drogenmengen verborgen werden können, habe es innerhalb des objektiv wie subjektiv Vorhersehbaren gelegen, dass der Transport auch mehrere hundert Kilo Rauschgift umfassen konnte. Dass der Angeklagte das Rauschgiftversteck nicht selbst untersuchen und prüfen konnte, sei ohne Relevanz. Denn ihm sei insoweit vorzuwerfen, dass er die für das Rechtsgut der Volksgesundheit riskante Einfuhrfahrt angetreten habe, ohne die Menge der transportierten Drogen überhaupt prüfen zu können.

 

Gericht: BGH
Datum der Entscheidung: 12.09.2019
Aktenzeichen: 5 StR 325/19
Fundstelle: StV 2020, 389 m. Anm. Oglakioglu