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Sachverhalt
Polizeibeamte waren wegen einer bereits seit mehreren Stunden andauernden erheblichen Ruhestörung zu einem Mehrparteienhaus gerufen worden. In dem Mehrfamilienhaus befand sich auch die Wohnung des Angeklagten. Vor Ort stellten sie fest, dass aus der Wohnung Marihuanageruch kommt und der Geruch sich nach Betreten der unverschlossenen Wohnung intensivierte. Im Wohnzimmer war der Geruch besonders auffällig. Dort befand sich ein aus mehreren Elementen zusammengesetzter Schrank mit geschlossenen aber nicht verschlossenen Türen; In dem Schrank fanden die Polizeibeamte zwei Schlagringe und zwei CO2-Pistolen vor. Im linken Schrankelement fanden sie neben den beiden CO2-Pistolen und Schlagringen zwei PTB-Pistolen, einen Schalldämpfer, ein Butterflymesser, fünf Stück Munition und zwei Dosen Pfefferspray, im rechten Schrankelement entdeckten sie diverse Frischhaltedosen, in denen Cannabis und Amphetamin aufbewahrt wurde, sowie einen verschlossenen Tresor.
Einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO versuchten die Beamten nicht einzuholen; die Gründe dafür ließen sich nicht aufklären.
Als der Angeklagte zu seiner Wohnung zurückkehrte, begab sich ein Polizeibeamter mit ihm ins Wohnzimmer. Er klärte den Angeklagten über den Sachverhalt auf und belehrte ihn über seine Beschuldigtenrechte. Auf eine mögliche Unverwertbarkeit der aufgefundenen Beweismittel wies er den Angeklagten nicht hin. Der Angeklagte äußerte sich hierauf geständig. Außerdem öffnete er den im rechten Schrankelement aufgefundenen Tresor und gab den Beamten dadurch die Möglichkeit, Kenntnis davon zu nehmen, dass sich darin weitere Frischhaltedosen mit Cannabis befanden.
Am nächsten Tag wurde der Angeklagte zunächst von einem Kriminalbeamten und später von dem Ermittlungsrichter als Beschuldigter vernommen. Beide belehrten ihn über seine Beschuldigtenrechte, ohne ihn auf eine mögliche Unverwertbarkeit der von den Polizeibeamten in seiner Wohnung aufgefundenen Beweismittel bzw. seiner Äußerungen gegenüber den Beamten hinzuweisen. Der Angeklagte wiederholte jeweils im Wesentlichen seine Angaben, die er bereits am Vortag gemacht hatte.
Entscheidungsgegenstand
Das Landgericht hatte den Angeklagten von dem Vorwurf des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Dagegen wendet sich die Staatsanwaltschaft. Der Bundesgerichtshof hatte sich daher nun mit der Frage der Verwertbarkeit er aufgefundenen Beweismittel sowie der Angaben des Angeklagten gegenüber den Polizeibeamten sowie dem Ermittlungsrichter auseinanderzusetzen.
Entscheidung und Begründung
Der Bundesgerichtshof hat den Freispruch aufgehoben. Er führt aus, dass zwar die Annahme des Landgerichts hinzunehmen sei, dass die aufgefundenen Beweismittel wegen der Verletzung des Richtervorbehalts unverwertbar sind, dass dies aber nicht zu einer Unverwertbarkeit der in der Folge gemachten Angaben eines Angeklagten führen müsse. Denn selbst wenn eine qualifizierte Belehrung dahingehend, dass die gefundenen Beweismittel unverwertbar sein könnten, unterbleibt, folge daraus nicht ohne Weiteres die Unverwertbarkeit einer neuerlichen Aussage.
So sei die Ansicht der Strafkammer, dass die Angaben des Angeklagten gegenüber dem Kriminalbeamten sowie dem Ermittlungsrichter mangels qualifizierter Belehrung unverwertbar seien, unzutreffend. Da die Polizeibeamten den Angeklagten anlässlich der Durchsuchung gemäß § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt hatten, bedurfte es bei seiner späteren Vernehmung durch den Kripobeamten keiner qualifizierten Belehrung. Entsprechendes gelte in Bezug auf die Vernehmung des Angeklagten durch den Richter, zumal der Angeklagte hier jeweils über seine Aussagefreiheit belehrt worden war.
Kommentierung der Entscheidung aus unserer Sicht:
Die Entscheidung stellt sozusagen das Gegenstück zur Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 23.06.2016 dar. Der BGH hat der Fernwirkung einer unzulässigen Durchsuchungsmaßnahme mit der Entscheidung deutliche Grenzen gesetzt. Eine solche Ausstrahlung kommt daher nur insoweit in Frage, wenn die Angaben in unmittelbarem Durchsuchungszusammenhang gemacht werden. Dies war im vorliegenden Fall nur bei der ersten Befragung vor Ort der Fall. Der Forderung nach einer qualifizierten Belehrungspflicht hat der BGH eine deutliche Absage erteilt.
Gericht: BGH
Datum der Entscheidung: 03.05.2018
Aktenzeichen: 3 StR 390/17
Fundstelle: NStZ 2019, 227