DMS Strafrecht

Wann beginnt die strafrechtliche Verjährung bei Beitragsvorenthaltung zu laufen?

Sachverhalt

Der Angeklagte ist Geschäftsführer der B Bau GmbH. Auf mehreren Großbaustellen in den Jahren 2007 bis 2012 werden im Zusammenhang mit Rohbaumaßnahmen Mitarbeiter illegal beschäftigt. Die aus Osteuropa stammenden Mitarbeiter, die für Arbeiten beim Stahlflechten und Betonieren eingesetzt werden, werden durch die B Bau GmbH in bar entlohnt. Um diese Zahlungen als Betriebsausgaben geltend machen zu können, „kauft“ sich der Angeklagte bei der C UG in Berlin Rechnungen über die Erbringung von Werkdienstleistungen in entsprechender Höhe ein. Er zahlte der C UG hierfür 10% der Rechnungssumme. Die „schwarz“ beschäftigten Arbeitnehmer meldete der Angeklagte nicht bei der jeweils zuständigen Einzugsstelle zur Sozialversicherung, obwohl er seine entsprechende Verpflichtung kannte. Ende 2011 wird eine Kontrolle der FKS durchgeführt und kurze Zeit später ein Ermittlungsverfahren durch die zuständige Staatsanwaltschaft eingeleitet. Am 25.01.2012 wird ein Durchsuchungsbeschluss erlassen und die Räumlichkeiten der B Bau GmbH durchsucht. Es werden umfangreich Geschäftsunterlagen beschlagnahmt, die durch das zuständige Hauptzollamt in den nächsten Jahren ausgewertet werden. Am 28.10.2016 wird Anklage gegen A erhoben. Das Landgericht eröffnet mit Beschluss vom 30.5.2018 das Hauptverfahren gegen A.

Entscheidungsgegenstand

Das Landgericht verurteilte den Angeklagten wegen Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen. Der BGH hat über die Revision der Angeklagten zu entscheiden und dabei insbesondere der Frage nachzugehen, ob und inwieweit eine absolute Verjährung der Tatvorwürfe in Betracht kommt.

Entscheidung

Der BGH hat einen sogenannten Anfragebeschluss erlassen. Das heißt der erste Senat teilt mit, dass er beabsichtigt zu entscheiden, dass bei Taten gemäß § 266a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB die Verjährungsfrist mit dem Verstreichenlassen des Fälligkeitszeitpunktes zu laufen beginnt. Der Senat fragt bei den anderen Strafsenaten an, ob an - gegebenenfalls - entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird. Der erste Senat hält es für richtig, die Verjährung auch bei Taten gemäß § 266a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB mit dem Verstreichenlassen des Fälligkeitszeitpunkts der Sozialversicherungsbeiträge beginnen zu lassen und verweist auf eine im Vordringen befindliche Auffassung in der Literatur. Dogmatisch ergibt sich ein entsprechender Beginn der Verjährungsfrist daraus, dass die Rechtsgutsverletzung mit Nichtzahlung im Zeitpunkt der Fälligkeit irreversibel eingetreten ist und durch weiteres Untätigbleiben nicht mehr vertieft wird. Die Strafbewehrung eines weiteren Unterlassens nach Vollendung des Tatbestandes sei daher nicht gerechtfertigt. Sie würde vielmehr voraussetzen, dass für das jeweils geschützte Rechtsgut eine spezifische Gefahrenlage aufgrund der Unterlassung über den Zeitpunkt der Vollendung der Tat hinaus fortbesteht, was bei § 266a StGB aber nicht der Fall ist. Dementsprechend entfalle mit der Vollendung des Straftatbestandes die strafbewehrte Pflicht zum Entrichten der Beiträge, so dass die Tat gleichzeitig beendet ist.

Kommentierung der Entscheidung aus unserer Sicht

Die Entscheidung bahnt eine weitere wichtige Rechtsprechungsänderung im Zusammenhang mit der Strafbarkeit nach § 266a StGB an. Es bleibt abzuwarten, wie die anderen Senate antworten werden.

 

Gericht: BGH
Aktenzeichen: 1 StR 58/19
Datum der Entscheidung: 13.11.2019
Normen: § 266a StGB